Jeder weiß wohl, dass die moderne Raumfahrt vor gut 60 Jahren begann, als der erste Satellit Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 von der Sowjetunion ins All befördert wurde. Doch wer erinnert sich daran, dass schon vor 90 Jahren bei Graz in der Steiermark erstaunliche Experimente mit Raketenflügen zur Postbeförderung unternommen wurden? Frühe Belege der Raketenpost sind heute gesuchte Dokumente bei Weltraumsammlern und Luftpost-Spezialisten.
Friedrich Schmiedl (* 14. Mai 1902; + 11. September 1994) war der österreichische Pionier und Erfinder der Raketenpost. Schon während seiner Jugendjahre experimentierte er mit Raketen und führte seine Versuche im Studium der Chemie an der Technischen Universität Graz, danach als selbständiger Ingenieur fort.
In seinen pazifistischen Bestrebungen zur friedlichen Erforschung des Weltraums verweigerte sich Schmiedl allerdings jeglichen Angeboten zur Förderung mit militärischem Hintergrund. So schien ihm die Nutzung der Raketentechnik am aussichtsreichsten für die Postbeförderung. „Endziele dieser meiner Raketenflugversuche sind Raketenpost und Weltraumflug“, schrieb er in Rot auf einen seiner ersten Erinnerungsbriefe.

Diese Belege aus dünnem gefalteten Papier mit Beschriftung und Illustration einer Rakete sowie fortlaufender Nummerierung begleiteten und dokumentierten seine frühen Versuchsreihen. Als Sammlerstücke für Liebhaber sollten sie zur Kostendeckung der Experimente beitragen.
Die frühesten Belege sollen laut „Rocket Mail Catalog“ von Ellington-Zwisler am 27. oder 28. Mai 1928 mit dem Höhenballon von den Grazer Murauen aufgestiegen sein. 200 fortlaufend nummerierte Exemplare entstanden aus den Papierbogen, beklebt mit Briefmarke zu 15 Groschen und privater Vignette, entwertet durch den Grazer Flugpoststempel vom 10. Juni 1928, ergänzt mit einem Luftpostaufkleber und zweizeiligen Zusatzstempel „Geflogen mit Höhenballon-F.S.1“. Der Brief mit laufender Nummer 73 wurde zuletzt bei Cherrystone / USA als „World’s First Stratosphere Mail Flight“ für 1100 Dollar zugeschlagen. Die etwas fleckige Nummer 93 startete im April 2018 beim Auktionshaus Felzmann zu 300 und schoss bis auf 850 Euro.

Die ersten dreieckigen Schmiedl-Vignetten tragen in grobem schwarz-orangefarbigem Druck eine kleine Ballondarstellung, die Beschriftung „Hochflugpost 3 Groschen FS 1“ und eine Höhenangabe von mehr als 16 000 bis 18 200 Meter. In der Folge unternahm Schmiedl Versuche, vom Stratosphärenballon aus Raketen zu starten, um Treibstoff zu sparen und noch größere Höhen zu erreichen. Wie es heißt, blieben hier zwar die Erfolge aus, aber seine Experimente brachten wichtige Erkenntnisse zur weiteren Erforschung der Atmosphäre.

Wertvolle Visionen zur Raumfahrt
Ab 3. Juli 1928 startete Friedrich Schmiedl seine Versuchsraketen „V1“ und „V2“ auf dem Gebirgszug Schöckl nördlich von Graz. Dort hatte schon der deutsche Universalgelehrte und Astronom Johannes Kepler (1571-1630) Forschungen betrieben, während seiner Zeit als Landschaftsmathematiker des Landes Steiermark und Mathematiklehrer an der protestantischen Stiftsschule in Graz (1594 bis 1600).
Schmiedl hatte hier seit 1924 Tests mit Raketen unternommen, um fotografische Luftaufnahmen aus großer Höhe zu ermöglichen. Doch erst bei den Starts im Sommer 1928 waren dünne Papierbogen eingeplant, aus denen anschließend jeweils 19 nummerierte signierte Erinnerungsbriefe gefertigt wurden. Die Nummer 10 von V1 brachte 2017 einen Zuschlag von 1400 Dollar; Nummer 11 der Rakete V2 wurde auf 2200 gesteigert.

Höchst begehrt zeigen sich 2017 auch die Originale der je 18 ähnlichen Faltbriefe von den Testflügen der Raketen V3 und V4, die auf den 6. März 1930 datieren und 1300 bis 1500 Dollar einspielten. Die höchsten Gebote brachten zwei Souvenirs vom 14. Mai 1930, dem 28. Geburtstag von Friedrich Schmiedl. 4750 Dollar wurden für die Nummer 6 von 16 bewilligt, die damals mit der V5 flogen und in roter Handschrift den visionären Text tragen:
„… Es ist theoretisch möglich, mit Raketen Briefpost in cca 40 Minuten von Europa nach Amerika zu befördern.
… Es ist theoretisch möglich, mithilfe von Raketen jeden beliebigen Punkt der Erdoberfläche in weniger als 1 Stunde zu erreichen.
… Es ist theoretisch möglich, daß wir mithilfe von Raketen unsere Erde verlassen können: Weltraumflug. Schmiedl.“
Diese Beschriftung ist auch auf dem Rand der Blockausgabe 401 von Paraguay wiedergegeben, die am 13. April 1984 in der Reihe „Pioniere der Raumfahrt“ erschienen ist. Die enthaltene MiNr. 3751 trägt ein Porträt des österreichischen Ingenieurs neben einer Rakete und drei der wichtigsten Daten seiner Experimente zur Postbeförderung.

Ebenfalls auf 4750 Dollar kam der Erinnerungsbrief Nummer 2 von 15, die gleichfalls am 14. Mai 1930 mit der Rakete V6 befördert werden sollten. Die Beschriftung nennt als technische Daten einen Startwinkel von 55 Grad, Treibgasgeschwindigkeit circa 200 Meter pro Sekunde, Ausstattung mit Höhenmessinstrument, Radioeinrichtung, Andruckregistrierung. Aber laut dem roten diagonalen Handstempel war der „Raketenflug ‚V6‘ misslungen“.
Versuchspost per V7 und mehr
Zu einem großen Erfolg sollte der Start der ferngesteuerten Versuchs-Postrakete „V7“ am 2. Februar 1931 auf dem Schöckl werden. Sie war 8,80 Meter hoch, erreichte eine Höhe um 1000 Meter und transportierte 102 Belege etwa drei Kilometer weit in Richtung Sankt Radegund, wo sie plangemäß mit einem Fallschirm landete. Die Sendungen in Form von Umschlägen oder Karten wurden mit Österreich-Freimarken versehen, die Schmiedl einzeln beschriftete und nummerierte, gestempelt mit einem violetten Rechteck „V7“ und datiert. Zwischen 550 und 2100 Dollar gaben Liebhaber 2017 für solche Stücke vom „World’s First Rocket Mail Flight“ aus.

Auch zu diesem posthistorischen Datum lassen sich preisgünstige spätere Belegmöglichkeiten finden. Zum 40. Jahrestag setzte die österreichische Post am 2.2.1971 in St. Radegund bei Graz einen Sonderstempel „40 Jahre Raketenpost / Ing. Friedrich Schmiedl / Schöckel – Radegund / V7“ ein, dem privaten Stempel mit Signatur von Schmiedl nachempfunden. Die Hermann-Oberth-Gesellschaft beförderte dazu Nachdrucke der Raketen-Flugpostkarten vom 2.2.1931 mit ihrer Versuchsreihe 2/71.
Dutzende weiterer erfolgreicher Postraketenstarts Schmiedls sind aus den folgenden Jahren bis Dezember 1935 dokumentiert. „Geflogen mit Registrier-Rakete 21 April 1931“, berichtet der Gummistempel über der Frankatur von 79 Briefchen und Karten, von denen laut Ellington-Zwisler wenige erhalten blieben. Ein solches Stück wurde 2018 bei Felzmann nach Ausruf zu 750 erst bei 1800 Euro zugeschlagen.

Am 9. September 1931 wurden 333 Poststücke mit der Rakete R1 vom Berg Hochtrötsch mehrere Kilometer weit nach Semriach befördert. Ein etwas lädierter Umschlag aus Wien von diesem Flug, der mit violetter Vignette und roten Stempeln weiter über Graz nach Salzburg lief, ist in der Publikation „Friedrich Schmiedl – Ein Raketenpionier aus Graz“ erwähnt. 84 Belege entstanden am 28. Oktober 1931 mit Gummistempel „Geflogen mit Postrakete V8“ und handschriftlichem Vermerk „Nachtflug“ von St. Peter zum Grazer Feld.

Die Philatelistische Gesellschaft Graz ehrte den Raketenpionier zum 30. Jubiläum mit Erinnerungsstücken, darunter ein Vignettenblock nach Schmiedls Entwurf mit Inschrift „Vor 30 Jahren Start der ersten Postrakete mit postamtlicher Briefweiterbeförderung“. Die Post trug einen Sonderstempel in lilaroter Farbe bei, auf Souvenirumschlägen zu finden.
Wie das Austria-Forum berichtet, schlug Schmiedl die Raketenpost für den Brieftransport zwischen Dörfern in Gebirgsregionen und zwischen den großen Hauptstädten der Welt vor. Er plante sogar, eine eigene Raketenpostlinie Laibach-Graz-Basel zu eröffnen. Die Funktionäre der Post konnte er aber nicht davon überzeugen. 1935 wurden seine Versuche durch zwei gesetzliche Änderungen beendet: Die Verwendung von privaten „Wertmarken“ wie die Raketenpost-Vignetten wurde von der österreichischen Post untersagt und der Besitz von Sprengstoff wurde unter Todesstrafe verboten. Als ein militärisches Interesse an den Forschungen Friedrich Schmiedls erwachte, verweigerte er jede Zusammenarbeit und vernichtete all seine Unterlagen.
Zu seinen späteren Auszeichnungen und Ehrungen zählen der Ehrenring des Landes Steiermark, das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark und die Hermann-Oberth-Medaille 1971, die ihm als Zeichen der Anerkennung durch den Raketenforscher Wernher von Braun überreicht wurde. Nach seinem Ableben 1994 hinterließ er der Stadt Graz ein Vermögen, um mit der „Ing. Friedrich Schmiedl – Stiftung“ die Möglichkeit zu schaffen, durch visionäre und unkonventionelle Ideen in seinem Sinn Verbesserungen und Erleichterungen der Kommunikation und Information im Regionalbereich Graz zu fördern.
Mehr Wissenswertes über Friedrich Schmiedl und seine Nachfolger in aller Welt hat der Experte und BPP-Prüfer Walter Michael Hopferwieser in seinem aktuellen Handbuch und Spezialkatalog „Pionierraketenpost und kosmische Post“ zusammengestellt (Verlag Christine Steyrer). Der Bericht von Michael Burzan erscheint im Juni 2018 im „Briefmarkenspiegel“ und im britischen „Philatelic Exporter“.
Block 262 der Malediven erinnerte am 1. Dezember 1992 verspätet an den 90. Geburtstag von Friedrich Schmiedl. Der Blockrand trägt ein Foto des Raketenstarts mit Angabe „First rocket mail July 3rd, 1928“, darunter eine Reproduktion seines „Raketenflug-Erinnerungsbrief Nr. 09“.
Der Schöckl / grotesqueverlag (2012)
Deutschlandfunk
Wikipedia