Ein Ergebnis von 105.000 Euro inklusive Aufgeld erzielte am 3. Juni 2015 das Gemälde „Die Erschaffung des Weibes“ von Arthur Kurtz bei einer Kunstauktion des Hauses Villa Grisebach in Berlin. Es war mit einem Schätzpreis von € 14.000 – 18.000 unter dem Titel „Erschaffung der Eva“ ausgerufen worden. Im Oktober 2008 wurde es noch zum Preis von 2.200 Euro zuzüglich Nebenkosten verkauft, unterhalb des damaligen Schätzpreises von 2.800 Euro … Das Bild befand sich jahrzehntelang in Familienbesitz und gelangte unter bisher ungeklärten Umständen auf den Markt.

Die Beschreibung des Gemäldes im Katalog von Villa Grisebach bietet eine interessante kunsthistorische Interpretation:
Eines der Modewörter des späten 19. Jahrhunderts lautete „Weltanschauung“. Gemeint war damit der Versuch, eine Gegenwart zu erklären, die durch die fortschreitende Industrialisierung, soziale Spannungen und revolutionäre neue Erkenntnisse in den Naturwissenschaften zusehends unübersichtlicher wurde.
Auf die Erschütterung der althergebrachten Ordnung reagierten die Künstler in sehr unterschiedlicher Weise. Paul Gauguin reiste auf der Suche nach dem irdischen Paradies in die Südsee. Andere wählten den Weg nach Innen, ins Geistige, in das Reich der Fantasie, der Andeutungen, Zeichen und des Okkulten. Zu letzteren gehört der österreichische Maler Arthur Kurtz, von dem dieses Meisterwerk des Symbolismus stammt. Kurtz, in der Steiermark geboren, an den Akademien in Graz und München ausgebildet, war einer der gefragtesten Porträtisten seiner Zeit. Auftraggeber fand er vor allem in der Aristokratie: Während eines seiner ausgedehnten Aufenthalte in Marienbad malte er König Eduard VII. von England, auch mehrere Bildnisse von Angehörigen des österreichischen Kaiserhauses sind von ihm bekannt. Darüberhinaus betätigte er sich als Schriftsteller, vor allem um seine späteren Arbeiten wie „Weltperpetuum“, „Kometenzauber“ und „Jubelnde Welt-Farbenphilosophie“ zu kommentieren.
In dem zwischen 1897 und 1900 entstandenen Gemälde „Erschaffung Evas“ zieht Kurtz alle Register seines Könnens. Im Zentrum des Bildes erkennt man eine Art weißliches Ovulum, aus welchem, von Feuer und Flammen umhüllt, der nackte Frauenkörper tritt. Um Eva und deren Keimzelle herum hat Kurtz in einem wahrhaft entfesselten, zügellosen malerischen Wirbel virtuos Fratzen und Dämonen, Sonnen, Planeten und abstrakte Lichterscheinungen dargestellt. In seinem motivischen Erfindungsreichtum steht das Gemälde in einer Reihe mit den großen fantastischen Werken der Kunstgeschichte von Hieronymus Bosch bis James Ensor.
Eine andere besondere Qualität dieser Arbeit ist ihre interpretatorische Offenheit. So haben die Energie und Dynamik, die das Bild durch Kurtz‘ spezielle kleinteilige Malweise verströmt, Bernd Ernsting vor zwei Jahren im Katalog zu einer Ausstellung im Unteren Belvedere in Wien zu der Frage verleitet, ob Eva hier nicht „selbst die Kreative im kosmischen Schöpfungsakt“ sei, die sich als „perfid-leichtfertige wie lustvolle Dompteuse einer chaotischen Menagerie monströser Schreckenswesen“ zu erkennen gebe (Agnes Husslein-Arco und Bernd Weidinger (Hg.): „Dekadenz – Positionen des österreichischen Symbolismus“ (Kat.), Wien 2013, S. 56).
Diese Vieldeutigkeit macht Arthur Kurtz’ „Erschaffung Evas“ zum Sinnbild einer zwischen den Extremen aufs Äußerste gespannten Epoche, die den Beginn der Moderne markiert. (UC)