Schlagwörter
Antenne, Baum, Bügelbrett, Eremitage, Gedichte, Gerhard Burzan, Gleisdorf, Ideen, Jenseits, Krankheit, Kristall, Leukämie, Liebe, Literatur Forum, Ludwigsburg, Rinde, Schnecke, Sonnenflügel, Steiermark, Tagebuch, Tod
„Wenn ich meinen Ideen überlassen bleibe,
reicht mein menschliches Kostüm nicht aus
– ich brauche die Zwangsjacke des Alltags“
In der Zeitschrift für Literatur „Eremitage 2“ unter dem Thema „Begegnungen“ hat Gerhard Burzan (1922-2010) zehn Seiten dem Andenken und Werk seiner Gattin Anneliese Burzan, geb. Anna Elisabeth Kurtz (* 1931 in Gleisdorf / Steiermark, + 1980 in Ludwigsburg) gewidmet. Dabei veröffentlichte er im Juni 2001 postum erstmals Texte von ihr, überschrieben „Übergänge I-VII“ (Seite 18 bis 23). Sie entstammen einer Tagebuchsammlung aus der Krankheitsphase bis zu ihrem Tod durch Leukämie.
In seiner Einführung schreibt er über ihre Gedichte :
„… Als sie spürt, dass ihre Bildwelt nicht mehr ausreicht, um das auszusagen, was ihr Inneres bewegt, greift sie zur Sprache, zum Wort.
In Gedichten wird ihre Jenseitsorientierung zu ergreifenden Aussagen geformt. Am Anfang dieses Prozesses standen die Worte“:
Ich bin eine Antenne im Raum,
greife aus wie ein Baum
und fühl an den Enden nur Übergang,
keinen Saum
ich bin eine Antenne im Raum
die Schwingungen spielen um mich
die Vibration verdichtet sich
und zwischen Wort, Bild und Musik
fasse ich diesen zarten Traum.
Gerhard Burzan: „Von diesem Gedanken aus nehmen die Gedichte ihre Jenseitsorientierung auf. Sieben dieser Übergangsgedichte werden hier vorgestellt. Sie münden in dem großen metaphorischen Gedicht ‚Du, Gott‘.
Welch ein gewaltiger Bildkosmos, um die Geringheit des Geschöpfes gegenüber seinem Schöpfer auszudrücken! Welch ein Sprachstrom von Wortbildern, bis der Weg frei wird zum ‚Absprung in Seine Liebe‘!
Ich habe diese Auswahl einer größeren Zahl von Gedichten entnommen
und habe dem Zyklus den Titel ‚Übergänge‘ gegeben.“
Veröffentlicht in Eremitage 2 – „Begegnungen“
(Peter Valentin Verlag, Ludwigsburg)
Ich bin
eine Rinde
eine Schale
ein geborstener Stamm
bin zerrissen
zerbrochen
wann
ist es aus?
Bin eine Rinde
teilweise noch heil
man kann noch erkennen
welcher Art ich bin
eine tapfere Eiche
eine behagliche Buche
eine geköpfte Weide.
Noch deutet das Rund
einen Körper an
oder schon
eine
irdische Leere.
= = =
Erstarrt
in einem Kleid von Kristall
bin ich
unendliche Ferne
verzaubert mich
und scheint den Gesetzen
des Lebens entzogen
Schein
Sein
nicht mehr gewogen
Erstarrt
in einem Kleid von Kristall
scheint festgehalten
in unirdischen Gestalten
für einen
Moment
der Wille der
Schöpfung
= = =
Mein Leben ist
wie nach Millionen Jahren
der Abdruck einer Schnecke
im Gestein.
Mein Leben ist
ein winziger Atemzug
meines unendlichen Schöpfers,
ein kleiner Hauch.
Mein Leben ist
ein Moment
vor dem Absprung
in Seine Liebe.
= = =
Bisher unveröffentlicht
Aus der Lesung zum Gedenken an Anneliese Burzan-Kurtz,
6. März 2012, im Literatur Forum Ludwigsburg
Mir sind Sonnenflügel gewachsen
aus der Mitte
und von da umgreifen sie meine Gestalt
Mir sind Sonnenflügel gewachsen
Mit meinen Sonnenflügeln will ich zu Dir eilen
und ich werde endlos auf Reisen sein
Mir sind Sonnenflügel gewachsen
aus der Mitte
wovon
woran
wodurch
wohin ?
= = =
Heut hab ich mein Bügelbrett neu bespannt
weiß mit zarten gelblichen Streifen
Was aber ich unter dem alten fand
4 Schichten
zerschlissen
vergilbt
verbrannt
war das frühere Linnen
und ich kann mich entsinnen
alle paar Jahre
hat die Mutter nach vielen Stücken
die Arbeit getan
Schale um Schale
Schicht um Schicht
ist die Familie
gewachsen
geworden
vergilbt
verbrannt
Heute habe ich Leinen gefunden
und das Bügelbrett
neu eingebunden
= = =